Erdbeben in Istanbul

Eine unendliche Geschichte

Fragen:

Die Folgen der Erdbeben der Vergangenheit zeigen sich überall in Istanbul. Suche rund um die Hagia Sophia nach Spuren früherer Erdbeben. Die zeigen sich sowohl innerhalb, als auch außerhalb der Hagia Sophia. Es ist also nicht notwendig, sie kostenpflichtig zu besichtigen.

Schicke mir eine E-Mail, in der Du die Spuren mit eigenen Worten beschreibst. Gehe dabei auf die verwendeten Materialien und Gesteinsarten ein, die hier zum Bau der Mauern verwendet wurden. Welche Strukturen haben den Erdbeben besonders gut widerstanden? Wie zeigen sich die Spuren der Erdbeben heute? Es wäre schön, wenn Du dein Log durch Bilder ergänzen würdest.

Alternativ / Optional:

Finde einen Ort, an dem die Folgen von Erdbeben sichtbar sind, nenne dessen Koordinate und beschreibe ihn in Deinem Log. Es wäre schön, wenn Du auch Fotos davon an Dein Log anhängen würdest. Mit Hilfe Deines Logs wird die obige Karte erweitert und soll so zur Dokumentation dieser Thematik beitragen.

Du brauchst keine Logerlaubnis abwarten. Ich behalte mir aber vor, Dein Log zu hinterfragen und notfalls zu löschen.

1. Entwicklung Istanbuls

Istanbul wurde um 660 v.Chr. als Byzantion von dorischen Griechen als Kolonie am europäischen Ufer des Bosporus gegründet und blickt heute auf eine über 2.600 jährige Geschichte zurück. In dieser Zeit war es die Hauptstadt dreier Weltreiche und bedeutendes Zentrum zweier Weltreligionen.

Nachdem Kaiser Konstantin I. 324 beide Teile des römischen Reiches vereinigte wurde die neue Hauptstadt ihm zu Ehren als Konstantinopel bekannt. Ab 412 ließ Theodosius II. die inzwischen mit 12 km² größte Stadt im Mittelmeerraum durch die noch heute sichtbare Landmauer befestigen und durch Aquädukte mit Wasser versorgen. Im 6. Jh. wurde Konstantinopel unter Kaiser Justinian prächtig ausgebaut, und z.B. die Hagia Sophia errichtet. Über Jahrhunderte war Konstantinopel die größte und reichste Stadt des Mittelmeerraumes. Ab der Mitte des 11. Jh. sank die Bedeutung Konstantinopels.

Im Jahr 1453 wurde die in weiten Teilen verfallene und entvölkerte Stadt nach längerer Belagerung durch die Osmanen unter Mehmet II. besetzt. In der Folge wurde sie planvoll wieder besiedelt und aufgebaut. Unter Sultan Süleyman I. und seinem Architekten Sinan erreichte die Stadt im 16. Jh. eine Blüte, die sich in zahlreichen Moscheen, Palästen, Brücken und Brunnen teilweise bis heute noch zeigt. Seit dieser Zeit wurde Konstantiniyye gelegentlich auch Istanbul genannt, bis es 1876 so offiziell in die Verfassung aufgenommen wurde. Mit dem Verfall des Osmanischen Reiches verlor auch dessen Hauptstadt bis zum Beginn des 20.Jh. an Bedeutung.

Im Jahr 1923 wurde nach den Befreiungskriegen die Hauptstadt der türkischen Republik unter Mustafa Kemal, genannt Atatürk, nach Ankara verlegt, vor allem um sich von der osmanischen Tradition abzugrenzen. Istanbul hat heute eine Ausdehnung von etwa 50km in N-S und 100km in O-W-Richtung und ist die drittgrößte Stadt der Erde mit geschätzten 14-16 Mio. Einwohnern.

2. Erdbeben in Istanbul

Seit jeher wird Istanbul immer wieder von schweren, teils verheerenden Erdbeben erschüttert.

Beim Beben von 447 stürzten 57 Türme der seinerzeit einmaligen Theodosianischen Mauer (Landmauer) ein, die als etwa 20km lange Befestigungsanlage das byzantinische Konstantinopel nach Westen hin schützte. Die Ruinen dieser mächtigen Mauer sind noch heute in der Nähe des Atatürk-Flughafens zu sehen.

Im Jahr 1509 zerstörte ein Beben, verbunden mit einer riesigen Flutwelle, die über die Seemauern herein brach, 109 Moscheen und 1070 Häuser. Dabei kamen schätzungsweise 5.000 bis 13.000 Menschen ums Leben und die osmanische Schiffsflotte wurde nahezu komplett vernichtet.

Weitere starke Beben folgten 1559, 1690, 1719 und 1766. Im Jahr 1894 stürzten durch ein Beben Teile des Dachs des großen Basars ein und zahlreiche Mosaike der Hagia Sophia wurden zerstört.

Mit der steigenden Einwohnerzahl Istanbuls steigt auch die verheerende Wirkung, die die Erdbeben entfalten. Das Beben bei Izmit von 1999 mit einer Stärke von 7.6 auf der Richterskala tötete über 17.000 und verletzte fast 44.000 Menschen. Es soll jedoch nur ein Vorbote eines von den Geologen erwarteten noch stärkeren Bebens bei Istanbul bis zum Jahr 2025 gewesen sein.

3. Ursache der Erdbeben Istanbuls

Die geologische Situation rund um Istanbul ist sehr komplex und hat ihre Anfänge bereits vor dem Paläozoikum. Das Mittelmeer war bereits als Schwächezone auf dem Superkontinent Pangäa angelegt. Hier teilte er sich in den südlichen Kontinent Gondwana und den nördlichen Laurasia. Zu Laurasia gehörten das heutige Nordamerika, Europa und Asien; zu Gondwana Südamerika, Afrika, Australien, Indien und die Antarktis. Während des Jura vor etwa 200-145 Mio. Jahren bildete sich zwischen beiden Kontinenten infolge der Divergenz der Ozean Thetys. Vor etwa 100 Mio. Jahren während der Kreide kehrte sich die divergente Bewegung um, und Afrika driftet seitdem nach Norden. Dabei taucht die Afrikanische Platte unter die Eurasische ab und bildet unter anderem im östlichen Mittelmeer bis heute eine Subduktionszone. Durch die Kollision der beiden großen Kontinentalplatten seit etwa 50 Mio. Jahren brachen an deren Rändern zahlreiche mikrotektonische Platten ab und führen seitdem zwischen den großen Platten eine Rotationsbewegung durch.

Eines der Bruchstücke ist die Anatolische Mikroplatte, die sich mit einer Geschwindigkeit von 2-3cm pro Jahr westwärts bewegt. Auf dem Gebiet der Türkei ist keine Subduktionszone entstanden, sondern die Platten bewegen sich hier gegeneinander; diese Art der Kollision wird Transform-Störung genannt. Die geologische Situation ist in dieser Hinsicht sehr ähnlich der amerikanischen San Andreas Verwerfung. Ein Teil des nördlichen Randes der Anatolischen Microplatte hängt fest an Asien und verhakt dort an der Nordanatolischen Verwerfung. Das verhindert eine kontinuierliche Bewegung, die sich in zahlreichen kleineren Beben äußern würde, sondern verläuft ruckartig um die Spannung abzubauen, wenn sie zu groß geworden ist. Das verursacht so die nicht ganz so häufigen, dafür aber viel stärkeren Beben.

In den letzten 100 Jahren wurde eine Verlagerung der Erdbebenzentren nach Westen festgestellt, die auf Istanbul zu läuft. Es wurde festgestellt, dass nie die gesamte Mikroplatte in Bewegung ist, sondern immer nur ein Teil von etwa 100km Länge, an dem dann die Spannung abgebaut, an dessen westlichen Ende jedoch umso mehr aufgebaut wird und sich dort Jahre bis Jahrzehnte später entlädt. So zeichnet sich die akute Gefährdung Istanbuls ab, da Izmit lediglich 80km östlich der Stadt liegt.

Das Kandilli Observatorium für Erdbebenforschung betreibt intensiv Forschung mit dem Ziel das kommende Beben so früh wie möglich zu erkennen. So sollen etwa automatische Systeme Gasleitungen schließen, Züge anhalten und mittels Verkehrsampeln den Verkehr stoppen. Für eine rechtzeitige Frühwarnung der Bevölkerung gibt es bisher allerdings noch keine Möglichkeit.

4. Messung der Stärke von Erdbeben

Die Stärke und Zerstörungskraft der Erdbeben wird mit Seismographen gemessen und heute allgemein auf der nach oben offenen Richterskala bestimmt. Sie wurde 1935 in Kalifornien für die dort vorkommenden, häufigen Beben entwickelt. Damit lassen sich beliebige Erdbeben-Stärken messen, wobei jedoch Stärken über 9.5 praktisch unmöglich erreicht werden können, da das Gestein nicht mehr Energie speichern kann und sich vorher entlädt.

Der Wert auf der Richterskala wird als Magnitude oder Größenklasse bezeichnet. Er leitet sich aus dem maximalen Ausschlag eines in 100km zum Erdbebenherd aufgestellten Seismometers ab. Eine um 1 höhere Magnitude entspricht einem zehnfachen Ausschlag des Seismometers und somit einer etwa 32fachen Energiefreisetzung. Die folgende Tabelle beschreibt die Größenklassen der Richterskala:

Richter Magnituden

Einteilung der Erdbebenstärke

Erdbebenauswirkungen

Häufigkeit der Ereignisse

< 2,0

Mikro

Mikro-Erdbeben, nicht spürbar

8.000-mal pro Tag

2,0 … < 3,0

Extrem leicht

Generell nicht spürbar, jedoch gemessen

1.000-mal pro Tag

3,0 … < 4,0

Sehr leicht

Oft spürbar, Schäden jedoch sehr selten

49.000-mal pro Jahr (geschätzt)

4,0 … < 5,0

Leicht

Sichtbares Bewegen von Zimmergegenständen, Erschütterungsgeräusche; meist keine Schäden

6.200-mal pro Jahr (geschätzt)

5,0 … < 6,0

Mittel

Bei anfälligen Gebäuden ernste Schäden, bei robusten Gebäuden leichte oder keine Schäden

800-mal pro Jahr

6,0 … < 7,0

Stark

Zerstörung im Umkreis bis zu 70 km

120-mal pro Jahr

7,0 … < 8,0

Groß

Zerstörung über weite Gebiete

18-mal pro Jahr

8,0 … < 9,0

Sehr groß

Zerstörung in Bereichen von einigen hundert Kilometern

1-mal pro Jahr

9,0 … < 10,0

Extrem groß

Zerstörung in Bereichen von tausend Kilometern

alle 1 bis 20 Jahre

10,0 … ∞

Globale Katastrophe

Noch nie registriert

Extrem selten (unbekannt)

5. Zum Standort

Die Hagia Sophia ist ein spätantikes Bauwerk. Sie war zuerst byzantinische Kirche, später Moschee und ist heute ein Museum. Ihr Rohbau wurde im Jahr 537 fertiggestellt. Sie steht auf den Fundamenten zweier kleinerer Vorgänger. Bereits während der Bauzeit traten immer wieder kleinere Risse im Mauerwerk auf. Während die Römer erfolgreich große Kuppelbauten errichtet haben, die erst durch die Verwendung des 'römischen Betons' Opus caementitium möglich wurden, wurde die Hagia Sophia in klassischer oströmischer Bauweise mit Ziegelsteinen erbaut.

Schon kurz nach ihrer Fertigstellung stürzte die zu flach gewölbte Kuppel während eines Erdbebens ein. Sie wurde durch eine stärker gewölbte Kuppel ersetzt. Auch an der bildeten sich nach kurzer Zeit wieder Risse. Daraufhin wurden Fenster in den unteren Teil der Kuppel eingebaut, die deren Einsturz verhindern sollten, indem sie sich bildende Risse ins Leere laufen lassen.

Immer wieder stürzten jedoch auch in der Folgezeit, zumeist aufgrund von Erdbeben, Teile der Hagia Sophia ein, so dass sie ab dem 14. Jh. Stützmauern an ihren Außenseiten erhielt. Sie veränderten die Erscheinung erheblich, dennoch konnte die Einsturzgefahr bis heute nicht beseitigt werden. Der aktuelle Zustand wird regelmäßig mit Radartechnik untersucht mit dem Ziel, ein für die Zukunft tragfähiges Konzept zur Erhaltung zu erstellen.

Den Wandel von der Kirche zur Moschee zeigen nach außen seit 1453 vor allem die vier die Hagia Sophia umgebenden Minarette. Auf Anregung Atatürks wurde 1934 die Hagia Sophia zu einem Museum umgewidmet, welches alle Phasen ihrer religiösen Nutzung zugänglich macht.

Gerade die problematische, freischwebende, riesige Kuppel macht die Hagia Sophia aber bis heute so einzigartig. Ein Jahrtausend lang war sie in der Spätantike und dem Mittelalter die mit Abstand größte Kirche des Christentums und galt sogar als achtes Weltwunder. Heute gehört sie zum UNESCO Weltkulturerbe der Menschheit.

Quellen:

Istanbul: http://de.wikipedia.org/wiki/Istanbul

Erdbeben-Messung: USGS: FAQ- Measuring Earthquakes

Richterskala: http://de.wikipedia.org/wiki/Richterskala

Nordanatolische Verwerfung: http://de.wikipedia.org/wiki/Nordanatolische_Verwerfung und http://records.viu.ca/~earles/anatolian-mar00.htm

Bogazici University - Kandilli Observatory and Earthquake Research Institute: http://www.koeri.boun.edu.tr/eng/topeng.htm

Hagia Sophia: http://de.wikipedia.org/wiki/Hagia_Sophia

Alle Bilder wurden selbst während eines Besuchs in Istanbul im Februar 2011 fotografiert, vom USGS übernommen oder von Wikipedia übernommen; sie stehen, soweit nicht anders vermerkt, unter der "GNU Free Documentation License".